In den frühen 1990er Jahren gab es viele Krisen und eine starke Konkurrenz. Beratungsfirmen mussten schnell wachsen, aber es gab nicht genug hochqualifizierte MBA-Absolventen, die sie einstellen konnten. Die Nachfrage nach strategischer Beratung stieg stark an, doch die Zahl der besten MBA-Absolventen konnte nicht mithalten. Deshalb mussten die Beratungsfirmen über die üblichen Bewerber hinausblicken.

McKinsey zum Beispiel überlegte, ob sie viele Leute ohne MBA einstellen sollten – nicht weil sie keine MBAs wollten, sondern weil die Zahl der verfügbaren Talente mit MBA-Abschluss begrenzt war. Die europäischen Büros stellten vermehrt Doktoranden, erfahrene Manager aus großen Unternehmen sowie Stipendiaten wie Rhodes- und Marshall-Stipendiaten ein. Andere Beratungsfirmen taten es ihnen gleich und holten auch Wissenschaftler, Ingenieure, Studenten und sogar Quereinsteiger ohne die üblichen Abschlüsse.

Einige Jahre später zeigte sich ein überraschendes Ergebnis: Die Qualität der Beratung blieb gleich gut. Die sogenannten „normalen Leute“, wenn sie richtig ausgebildet und unterstützt wurden, arbeiteten genauso gut wie die Absolventen der besten Business-Schulen. Das war keine Einzelerfahrung – die Rechnungen der Beratungsfirmen gingen nicht zurück, die Kunden waren weiterhin zufrieden und die gelieferten Ergebnisse waren von hoher Qualität. Obwohl es wenige konkrete Zahlen dazu gibt, ist dies eines der seltenen Beispiele, bei denen eine Senkung der Anforderungen an neue Mitarbeiter nicht zu einem Qualitätsverlust führte. Diese Erfahrung wurde sogar im Buch „The War for Talent“ (2001) erwähnt, einem bekannten Werk über den Wettbewerb um Talente.

Warum hat das so gut funktioniert? Mehrere Faktoren spielten eine Rolle:

  • Talent und Einstellung wichtiger als Abschlüsse: McKinseys „War for Talent“ betonte, dass außergewöhnliche Leistungen eher von der Einstellung und den Fähigkeiten der Mitarbeiter abhängen als von deren Schulabschluss.

  • Analytische Stärke und schnelles Lernen: Die Beratungsfirmen hatten ihre Analysewerkzeuge verbessert – von der Wachstums-Matrix der BCG bis zu Lernkurven – sodass auch talentierte, aber unkonventionelle Mitarbeiter schnell effektiv wurden.

  • Not macht erfinderisch: Unter großem Wachstumsdruck beschleunigten die Beratungsfirmen die Entwicklung ihrer nicht-traditionellen Mitarbeiter durch gezieltes Lernen am Arbeitsplatz, statt auf lange Schulungen zu setzen.

Diese Geschichte zeigt eine andere Seite des „Kampfes um Talente“. Sie beweist, dass Firmen auch unter Druck ihren Blickwinkel erweitern, die Einstellungspraxis diversifizieren und trotzdem Spitzenleistungen liefern können. Die wichtigste Lektion: Fähigkeiten, Anpassungsfähigkeit und gute Ausbildung sind oft wichtiger als prestigeträchtige Abschlüsse. Und Krisen können dazu führen, dass Firmen ihre alten Einstellungen überdenken müssen.

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