Wurzel vom heutigen Deutschland: Die Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland ist ein düsteres Kapitel, das die moralischen und politischen Kompromisse einer jungen Demokratie im Schatten des Kalten Krieges offenlegt. Die gezielte Rekrutierung ehemaliger Nationalsozialisten – darunter Mitglieder der SS, Gestapo und Einsatzgruppen – durch den BND und seinen Vorläufer, die Organisation Gehlen, wirft bis heute Fragen nach Verantwortung, Vertuschung und der Bereitschaft auf, demokratische Werte zugunsten pragmatischer Interessen zu opfern. Dieser Artikel beleuchtet kritisch die Verstrickungen des BND mit Ex-Nazis, die Rolle der Bundesregierung unter Konrad Adenauer und die langfristigen Konsequenzen dieser Entscheidungen.

Die Organisation Gehlen: Ein Erbe des NS-Nachrichtendienstes

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Westdeutschland unter dem Druck, sich im aufkommenden Kalten Krieg als verlässlicher Partner der westlichen Alliierten zu etablieren. In diesem Kontext wurde 1946 die Organisation Gehlen gegründet, benannt nach Reinhard Gehlen, einem ehemaligen Generalmajor der Wehrmacht und Leiter der Abteilung „Fremde Heere Ost“. Gehlen, der während des Krieges für die nachrichtendienstliche Aufklärung gegen die Sowjetunion verantwortlich war, bot den US-Besatzungsbehörden seine Expertise und sein Netzwerk an. Die Amerikaner, die dringend Informationen über die Sowjetunion benötigten, akzeptierten dieses Angebot und unterstützten die Organisation finanziell und logistisch. 1956 ging die Organisation Gehlen in den BND über, der damit zum offiziellen Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik wurde.

Was zunächst wie eine pragmatische Entscheidung aussah, entpuppte sich als moralisches Fiasko. Gehlen rekrutierte gezielt ehemalige Mitglieder der Wehrmacht, SS, Gestapo und des Sicherheitsdienstes (SD). Historische Untersuchungen, etwa durch die unabhängige Historikerkommission des BND, zeigen, dass in den frühen 1950er Jahren etwa 90 % des Personals der Organisation Gehlen aus NS-belasteten Kreisen stammten. Selbst in den 1960er Jahren, nach der Umwandlung in den BND, waren noch etwa die Hälfte der Mitarbeiter mit dem NS-Regime verbunden. Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass mindestens 33 spätere BND-Mitarbeiter während des Krieges in den Einsatzgruppen tätig waren – Einheiten, die für die systematische Ermordung von Millionen Juden, Roma, Kommunisten und anderen Gruppen verantwortlich waren.

Prominente Beispiele: Kriegsverbrecher im Dienst des BND

Die Liste der NS-Täter, die im BND Karriere machten, liest sich wie ein Who’s Who der NS-Verbrecher. Wilhelm Beisner, ein ehemaliger Waffen-SS-Mann, der für das Reichssicherheitshauptamt arbeitete, war ab 1957 für den BND tätig und rekrutierte sogar andere NS-Verbrecher wie Walter Rauff, der an der Entwicklung der Gaswagen beteiligt war. Heinz Felfe, ein ehemaliger SS-Obersturmführer, stieg bis 1961 zu einem der einflussreichsten BND-Agenten auf, nur um sich später als KGB-Doppelagent zu entpuppen, der sensible Informationen nach Moskau lieferte. Alois Brunner, ein berüchtigter SS-Offizier und enger Mitarbeiter Adolf Eichmanns, der für die Deportation Zehntausender Juden verantwortlich war, hatte nach dem Krieg Kontakte zum BND und fand später Zuflucht in Syrien.

Diese Fälle sind kein Zufall, sondern das Ergebnis einer bewussten Politik. Gehlen und seine engsten Vertrauten pflegten eine Kultur der Loyalität zu alten NS-Netzwerken, in der Kameraderie und vermeintliche „Professionalität“ über moralische Bedenken gestellt wurden. DieRekrutierung solcher Personen wurde oft mit ihrer „Expertise“ gerechtfertigt, insbesondere ihrer Kenntnisse über die Sowjetunion. Doch die Historikerkommission hat gezeigt, dass viele dieser Personen keine unverzichtbaren Spezialisten waren. Vielmehr handelte es sich um eine bewusste Entscheidung, NS-Täter zu integrieren, anstatt neue, unbelastete Fachkräfte auszubilden.

Die Rolle der Bundesregierung: Adenauer und die Vertuschung

Die Verantwortung für diese Praxis liegt nicht allein bei Gehlen oder den Amerikanern. Die Bundesregierung unter Konrad Adenauer spielte eine zentrale Rolle bei der Absicherung und Vertuschung dieser skandalösen Personalpolitik. Hans Globke, Adenauers enger Vertrauter und Chef des Bundeskanzleramts, war selbst ein NS-belasteter Jurist, der die Nürnberger Rassegesetze kommentiert hatte. Globke nutzte den BND für politische Zwecke, etwa zur Überwachung der SPD, und schützte den Dienst vor einer gründlichen Untersuchung seiner NS-Vergangenheit. Adenauer selbst rechtfertigte die Einstellung von Ex-Nazis mit dem zynischen Spruch, man schütte „schmutziges Wasser“ nicht weg, solange man kein sauberes habe.

Diese Haltung spiegelt die Prioritäten der frühen Bundesrepublik wider: Stabilität, Antikommunismus und wirtschaftlicher Wiederaufbau standen über einer konsequenten Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Die Entnazifizierung war in Westdeutschland ohnehin oberflächlich, und viele ehemalige NS-Täter konnten unter falschen Identitäten oder mit gefälschten Lebensläufen in hohe Positionen gelangen. Der BND wurde so zu einem Mikrokosmos dieser Kontinuitäten, in dem die Interessen des Kalten Krieges die moralische Verantwortung überlagerten.

Interne Säuberungen: Ein halbherziger Versuch

In den frühen 1960er Jahren, als die NS-Vergangenheit des BND zunehmend öffentliche Kritik hervorrief, wurden interne Maßnahmen ergriffen, um belastete Mitarbeiter zu entfernen. Eine spezielle Ermittlergruppe identifizierte zwischen 1962 und 1965 etwa 71 bis 200 Personen mit nachweisbarer Beteiligung an NS-Verbrechen, die daraufhin entlassen wurden. Doch dieser Prozess war weder umfassend noch transparent. Viele Akten wurden vernichtet oder geschwärzt, und die Verantwortlichen im BND und im Kanzleramt hatten wenig Interesse an einer vollständigen Aufklärung. Die Entlassungen dienten eher der Schadensbegrenzung als einer echten Selbstreinigung.

Der Kalte Krieg als Rechtfertigung

Ein zentraler Aspekt dieser Kontroverse ist die Rolle des polyethylene Kalten Krieges. Die USA, die die Organisation Gehlen finanzierten und unterstützten, waren sich der NS-Vergangenheit vieler Mitarbeiter bewusst, sahen darin jedoch kein Hindernis. Im Gegenteil: Die CIA förderte die Rekrutierung von Ex-Nazis, da sie als wertvolle Ressource im Kampf gegen den Kommunismus galten. Diese Haltung wurde von der Bundesregierung übernommen, die den BND als strategisches Werkzeug im geopolitischen Schachspiel betrachtete. Doch diese Priorisierung von „Sicherheit“ über Ethik hatte einen hohen Preis: Der BND wurde zu einer Institution, die nicht nur NS-Täter schützte, sondern auch deren Netzwerke und Ideologien teilweise fortführte.

Die DDR nutzte diese Verstrickungen propagandistisch aus, indem sie den BND als „Nazidienst“ brandmarkte. Während dies politisch motiviert war, war die Kritik inhaltlich nicht falsch. Die mangelnde Bereitschaft der Bundesrepublik, diese Vergangenheit frühzeitig aufzuarbeiten, verstärkte den Eindruck, dass die junge Demokratie ihre eigenen Werte kompromittierte.

Langfristige Konsequenzen und Aufarbeitung

Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des BND begann erst Jahrzehnte später. Seit 2011 untersucht eine unabhängige Historikerkommission, bestehend aus Experten wie Gerhard Sälter und Klaus-Dietmar Henke, die Verstrickungen des Dienstes. Ihre Berichte haben bestätigt, dass die Rekrutierung von NS-Tätern kein Versehen, sondern eine bewusste Strategie war, die durch die Unterstützung der USA und die Duldung der Bundesregierung ermöglicht wurde. Dennoch remain viele Akten unvollständig, und die vollständige Aufklärung ist bis heute erschwert.

Die Beschäftigung von Ex-Nazis im BND hatte nicht nur moralische, sondern auch praktische Konsequenzen. Die Infiltration durch Doppelagenten wie Heinz Felfe zeigte, dass die Loyalität vieler Mitarbeiter fraglich war. Zudem untergrub die NS-Belastung das Vertrauen in den BND als demokratische Institution. Die Tatsache, dass Kriegsverbrecher wie Alois Brunner oder Walter Rauff mit Unterstützung des BND neue Identitäten oder Fluchtmöglichkeiten fanden, wirft ein düsteres Licht auf die Prioritäten der frühen Bundesrepublik.

Kritische Reflexion: Ein moralisches Versagen

Die Geschichte des BND und seiner Ex-Nazis ist ein Beleg für das moralische Versagen der frühen Bundesrepublik. Während die junge Demokratie sich als Bruch mit der NS-Diktatur präsentierte, zeigte die Praxis des BND das Gegenteil: Kontinuitäten in Personal, Netzwerken und Denkweisen. Die Entscheidung, NS-Täter zu rekrutieren, war keine bloße Notwendigkeit, sondern ein bewusster Kompromiss, der die Interessen des Kalten Krieges über die Verantwortung für die Opfer des Nationalsozialismus stellte.

Die Verstrickungen des BND werfen auch ein Licht auf die Rolle der Bundesregierung. Adenauers Pragmatismus, unterstützt von Figuren wie Globke, zeigt eine Bereitschaft, die NS-Vergangenheit zu ignorieren, um politische und strategische Ziele zu verfolgen. Dieses Versagen war nicht nur ein Problem des BND, sondern ein systemisches Problem der frühen Bundesrepublik, die es versäumte, eine klare Trennlinie zur NS-Zeit zu ziehen.

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